Trick soll Bau-Desaster verhindern

Zwickau. Für die Zwickauer Aboa-Architekten ist es eine Premiere. Das Projekt "Wohnen am Schlobigpark" ist ihr erstes, das sie nach dem sogenannten BIM-Verfahren planen und umsetzen. Die Abkürzung steht für "Building Information Modeling" - Gebäude-Daten-Modellierung. Dabei handelt es sich um ein Konstruktionsverfahren, mit dem sich der Baufortschritt in Echtzeit überwachen lässt, erklärt Michael Uhlig (38), einer der beiden Leiter im Architekturbüro.

Im Prinzip ist das System ganz einfach: Jedes einzelne Bauteil trägt einen Barcode. Beim Einbau wird dieser Code vom Bauarbeiter eingescannt, dann ans Rechenzentrum übertragen, und ein Programm sorgt dafür, dass der Ort im virtuellen Gebäude zugeordnet wird. "Letztendlich sehen wir dann am Monitor, wie das Haus Stück für Stück in die Höhe wächst", erklärt Frank Nestler (47). Seine Firma hat die nötige Software dafür entwickelt.

Nach Einschätzung des Bauingenieurs gibt es bisher kein anderes Architekturbüro in der Region, das in solchem Umfang bereits auf das BIM-Verfahren setzt. Neu ist es jedoch keineswegs. Es stammt ursprünglich aus dem Anlagenbau, so Nestler, und wird nach und nach auf den Hochbau übertragen. "Das BIM ist im Grunde kein Programm, sondern es beschreibt den ganzen Prozess", ergänzt der Architekt Uhlig. Jedem Einzelteil, das als dreidimensionaler Gegenstand am Rechner entworfen ist, können bestimmte Informationen mitgegeben werden, etwa die Art des Materials, Vorgaben der Statik, der Bauphysik und auch der Kosten.

Aus Sicht der Architekten bietet dieser Weg gleich mehrere Vorteile: Es verbindet den gezeichneten Plan mit der tatsächlichen Konstruktion vor Ort und macht auch die Baukosten überschaubarer als bisher. Man müsse sich nur Großvorhaben hernehmen wie "Stuttgart 21" oder den Berliner Flughafen, so Uhlig: Viel gehe allein deshalb schief, weil die Investitionen nicht präzise genug kalkuliert werden könnten. Im Ausland wundere man sich, wieso die deutschen Großprojekte so regelmäßig ins finanzielle Desaster führten. Die Regierung stehe deshalb unter Handlungsdruck, auf EU-Ebene sei der Umstieg auf BIM bereits in Vorbereitung, so Uhlig. Der Architekt rechnet damit, dass bei öffentlichen Bauvorhaben in Deutschland in zehn Jahren ohne diesen Standard nichts mehr geht.

Dem Komplex am Schlobigpark wird man es wohl nicht anmerken, nach welchem Verfahren er realisiert wurde. Die Gebäude- und Grundstücksgesellschaft Zwickau (GGZ) darf sich unterdessen schon ein wenig freuen. Laut Michael Uhlig hat der neue Ansatz bereits dafür gesorgt, dass der ein oder andere Euro weniger ausgegeben werden muss als zunächst angedacht. Die Investitionssumme beläuft sich auf 6,1 Millionen Euro, so GGZ-Sprecher Steven Simmon. In den drei versetzt aneinander stehenden Häusern, von denen bereits die Erdgeschosse zu sehen sind, sollen einmal 28 Drei- und Vierraum-Wohnungen entstehen. Gewerberäume sind nicht vorgesehen, so Simmon. Die ersten Mieter könnten im zweiten Quartal 2017 einziehen. Bereits vor dem Baustart hatte es eine große Nachfrage nach den Wohnungen gegeben. Ganz billig sind sie freilich nicht: Die Kaltmieten liegen bei bis zu 9,20 Euro pro Quadratmeter.


Text: Thomas Schmotz, Freie Presse, 19.02.2016  Fotos: Thomas Schmotz

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